Die Provinzhauptstadt der Provinz Jiangsu liegt 300km nordwestlich von Shanghai und zählt heute ca. 5,5 Mio. Einwohner. Sie gilt als eine der ältesten Städte Südchinas mit ihren Anfängen in 495 v.Chr. Während der Sechs Dynastien (220-589 AD), der südlichen Song-Dynastie (1127-1279 AD) und zu Beginn der Ming-Dynastie (1368), als Nanjing zur damals größten Stadt der Welt mit ca. einer halben Mio. Menschen ausgebaut wurde, war sie Hauptstadt des Kaiserreichs China. Aus letztgenannter Zeit datiert die heute noch weitgehend erhaltene Stadtmauer.
1912 wurde Nanjing unter dem Regime Sun Yat-sens ein weiteres Mal zur Hauptstadt ernannt. Während des Zweiten Japanischen-Chinesischen Krieges wurde die Stadt von Japanischen Truppen besetzt, die an der Zivilbevölkerung das Massaker von Nanjing, ein Massaker über dessen Ausmaß sich bis heute gestritten wird (ca. 200.000 Zivilisten und Kriegsgefangen), verübten.
Nanjing verlor erst seinen Hauptstadttitel nach dem die Kommunisten 1949 an die Macht kamen und Beijing zur Hauptstadt erhoben.

Nach nur wenig Schlaf, da unsere Herberge auf dem Unigelände einem Bahnhof und dessen Geräuschpegel glich, wurden wir von der Mama hier erst einmal mit einer morgenliche Suppe verwöhnt, die im Steintopf auf offener Flamme zubereitet wird.

Wir waren sichtlich begeistert und sind am nächsten Morgen gleich wieder zu ihr zum Frühstücken gegangen.

 

Nanjing wirkt wie alle anderen chinesischen Städte auch fortschrittlich mit neuen Glasfassaden und Hochhäusern doch kann es seine charmante Rückständigkeit nicht verbergen. Wir empfanden es als eine willkomme Abwechslung zum teils hochpolierten Shanghai.

 

Und so schlenderten wir durch die Straßen und Gassen, wo wir natürlich andauernd stehen bleiben mussten, um zu snacken. Hier werden „gou tie“ hergestellt, mit Hackfleisch gefüllte Teigtaschen, die in einer riesigen Pfanne angebacken werden. Köstlich!

 

Heisse Taro-Knollen. Taropflanzen wurden schon vor 7000 Jahren auf der malayischen Halbinsel kultiviert. Die Knollen bestehen aus zwei Drittel Wasser und einem Drittel Kohlenhydrate (vor allem Stärke). Aufgrund ihres Nährwertes wird z.B. auf Hawai eine Paste(Brei) daraus hergestellt, oder sie wird zu Babynahrung verarbeitet oder wie in China in der Kantine gekocht oder auf der Straße gebacken als Gemüse angeboten. Uns hat es ein wenig an Yucca-Wurzel erinnert, wobei uns letztere deutlich besser schmeckt.

 

Alltäglicher Ritus: die Bettwäsche gehört tagsüber einfach auf die Straße gehängt!

 

So wird die Wohnung optisch vergrößert.

 

Der Drache als Hüter über das zu trocknende Chili auf der Straße.

 

Anders als die meisten alten Stadtmauern Chinas fiel die von Nanjing nicht den Kommunisten zum Opfer. Mit 33km Länge ist es die längste Stadtmauer die je gebaut wurde und von der heute immerhin noch zwei Drittel erhalten sind. Teile der 12m hohen und 7m breiten Mauer sind sogar begehbar und bieten wunderbare Ausblicke über die Stadt oder wie hier über den Xuanwu See.

 

Aus dem Gewirr der verwinkelten Wohngassen mit den zahllosen Garküchen hat uns eine nette chinesische Familie geführt, die auch auf dem Weg zum Jiming Tempel waren. Von der Stadtmauer über eine Brücke zu erreichen thront dieses im Jahr 527 gegründete Buddhisten-Heiligtum eindrucksvoll über der Stadt.

 

Auch viele junge Chinesinnen und Chinesen finden den Weg in diesen aktivsten Tempel der Stadt, um entweder nur die Aussicht zu geniessen, oder die Lao Wais (Ausländer) auf der Stadtmauer anzustarren,…

 

…oder ihre zahlreichen Wünsche, sei es nach Kindern, Gesundheit oder der Teilhabe an Chinas aufstrebender Wirtschaft, auf ein Kärtchen zu schreiben um es zwischen die vielen anderen Gesuche zu hängen von wo der Wind den Traum in die Welt hinaus tragen kann,…

 

…oder durch das Rauschen der vielen Zettel im Wind in Trance vesetzt zu beten…

 

…oder für noch mehr Glück in vielen Versuchen Münzen in die kleinen Kugeln auf den riesigen Rauchbehältern zu werfen,…

 

…oder um einfach einmal zwischen den vielen Bonsaibäumchen und dem Gewusel im Innenhof inne zu halten.

 

Auch die kleinsten der gut fünf Millionen Einwohner Nanjings machen da keine Ausnahme.

 

Durch ein Gewirr von Gärten, Pavillions und Höfen führen steile Treppen auf der Stadtseite wieder hinunter.

 

Ein typisch chinesisches Bild. Was mag sie da fotografieren fragt man sich. So langsam regt sich in uns der Verdacht, dass es unsere chinesischen Freunde auch nicht immer wissen.

 

„Alles vom Kürbis“ könnte eine Aufschrift diesen dreirädrigen mobilen Verkaufsstand zieren.

 

Ihr wisst ja: Andere Stadt anderes Essen! Und so verbrachten wir auch einen Grossteils des Abends damit den Köchen der mobilen Garküchen auf die Finger und in die Töpfe zu schauen und natürlich auch die ein oder andere unbekannte Köstlichkeit zu probieren.

 

Unser Chinesischlehrer hatte die Umgebung des Konfuziustempels besonders angepriesen. Wir hätten uns denken können, dass uns ein Spektakel von bunten Lichtern, Kitschverkäufern und Bootstourenschleppern inmitten eines unglaublichen Menschengedränges erwartet.

 

Aber mittlerweile wissen wir ja, dass dies integraler Bestandteil des modernen Chinas ist.

 

Wenn man genau hinschaut halten sich viele der alten Traditionen trotz des allgemeinen Konsumwahns tapfer über Wasser. Hier ist nicht etwa ein Graffiti-Maler am Werk, sondern vielmehr übt sich ein aufstrebender Meister zwischen lärmenden Shoppingmalls in der hohen Kunst der Kalligraphie, indem er die komplizierten Schriftzeichen im Schein des Neonlichts malt. Seine Werkzeuge: Ein langer Pinsel und ein Eimer … Wasser!

 

Das ständige Knattern, Quietschen und Krachen der unzähligen Roller und Motorräder ist aus den chinesischen Großstädten verschwunden. Daß die meisten Zweiräder mittlerweile Strom betrieben sind wird man spätestens feststellen, wenn man beim Flanieren auf dem Bürgersteig fast von einem dieser lautlosen Blitze überfahren wird. Tatsächlich wird dieser Umstand wohl einiges dazu beitragen, dass die Luft in Chinas Städten mittlerweile sehr viel besser zu atmen ist, als in einer beliebigen lateinamerikanischen. Natürlich bedeutet dies auch ganz neue Anforderungen an die städtische Infrastruktur, wie zum Beispiel diese Steckdosenketten entlang Nanjings Strassen.

 

 

 

Nanjing hat gegenüber Shanghai einen entscheidenden Vorteil: Natur. Von der Stadtmauer zeigt der Blick über den Xuanwu See den Innenstadt nahen Zijin Berg im Herz eines mehrere Kilometer durchmessenden Waldes, in dem neben weiteren kleineren Seen und vielen Wanderwegen einige imposante Tempel und Mingbauwerke versteckt liegen.

 

Dazu gehört auch der Linggu Tempel dessen 60m hohe neunstöckige Pagode wunderbare Aussicht über die Umgebung Nanjings bietet.

 

Im Zentrum des Berges befindet sich das imposante Sun Yatsen Mausoleum. Sun Yatsen war ein kantonesischer Revolutionär der sich Anfang des 20sten Jahrhunderts für das Ende der Qing-Dynastie einsetzte und sowohl von den Kommunisten als auch den Kuomintang als Vater des modernen Chinas verehrt wird. Um einen Blick auf sein steinernes Ebenbild werfen zu können müssen allerdings erst 392 Stufen erklommen und mindestens doppelt soviele Chinesen überwunden werden.

 

Ausblick auf Nanjing nach einem Schweiss treibenden Aufstieg. Ausländische Touristen haben wir hier so gut wie gar keine gesehen.

 

Das Ming Xioaling Grab ist das einzige Mausoleum eines Ming Kaisers ausserhalb Pekings. Um das unglaublich massive Gebäude herrschte etwas weniger Trubel und viele der kleineren Hallen, Türmchen und Mauern der Anlage sind teilweise eingewachsen und sorgen für eine mystische Stimmung.

 

Zu einem richtigen Kaisergrab gehört natürlich auch der „Spirit Path“, auf dem der Weg zum Grab von steinernen Gelehrten, Tieren und Fabelwesen gesäumt wird. Wir waren hier etwas in Eile in umgekehrter Richtung unterwegs um nicht unseren Zug zurück nach Shanghai zu verpassen.