Die chinesische Provinz Shanxi liegt wenige Stunden westlich von Peking und ist China’s Kohlenpott. Ein Drittel der landesweiten Kohleproduktion wird hier in über 3000 Minen gefördert und sorgt so für endlose Schwerlast-Konvoys, die das wichtige Brennmaterial in die Hauptstadt transportieten. Daneben bietet Shanxi aber auch die buddhistischen Yungang Höhlen, einige der ältesten Bauwerke Chinas und die wunderbar erhaltene Kleinstadt Pingyao. Grund genug für mich die Osterfeiertage zu nutzen um mal wieder die Provinz zu durchstreifen und mich auf die Suche nach der Sonne hinter dem trüben Kohlestaub-Himmel zu machen.

Nachdem mich China Eastern am Abend vor Karfreitag sicher von Shanghai nach Taiyuan gebracht fotografiere ich dieses sehr chinesische Hotel steige mit Teeiern und Bierdose in den Nachtzug nach Datong. Als ich durch die Fenster ins Hardseat-Abstei spähe, stapeln sich Nudelsuppen auf den Bänken, auf den Tischen wird geschlafen, diskutierten tut es sich am besten im Stehen auf den Sitzen und Karten spielen geht halt nur mit freiem Oberkörper;-) Umsomehr freue ich mich über meinen Platz im Schlafwagen.

Die Yungang Höhlen bei Datong stammen aus dem fünften Jahrhundert und sind die ältesten buddhistischen Reliefs Chinas. In 252 Höhlen, von denen 45 besichtigt werden können, warten über 50.000 Buddhastatuen. Von wenigen Zentimetern Größe bis zu den 17m Höhe des sitzenden Buddhas in der Höhle fünf ist alles dabei.

Die Höhlen stammen aus der Zeit als der Buddhismus erstmals nach China kam. Die damals in Shanxi ansässigen Stämme der Tabgatsch waren teils türkisch, teils mongolisch und verwendeten bei der 60 jährigen Arbeit an den Yungang Höhlen auch indische und persische Motive.

Dank Freitag und frühem Morgen herrscht eine für China ungewöhliche Leere und ich nehme mir viel Zeit für die Erkundung. Ein Viertel der Anlage ist leider mit einem Bretterzaun verhüllt durch dessen Fugen man in die farbig ausgestalteten Höhlen spähen kann. Bei stattlichen zwanzig Euro Eintritt könnte man dem Besucher ja wenigstens durch einen offenen Bauzaun den Blick auf eine der schönsten Sektionen lassen.

Einige der Höhlen sind sehr hoch und beherbergen gigantische Statuen. Da sich oberhalb des Eingangs meist noch eine weitere Öffnung in der Felswand befindet tritt man in eine dunkle Höhle mit einem riesigen „erleuchteten“ Buddha. Eindrucksvoll.

Ein- und Ausgang führen durch diesen Tempel inmitten eines Sees. Am dicken Eis sieht man, dass es doch kälter als vorausgesagt ist. Auf dem Rückweg nach Datong fängt es tatsächlich an zu schneien.

Den Nachmittag verbringe ich in Datong. Wie viele chinesische Städte wird es von den Gegensätzen zwischen Alt und Neu bestimmt. Die letzten Hutongs, traditionelle chinesische Hofhäuser, im Vordergrund weichen nach und nach den Wohnmaschinen und Kränen im Hintergrund.

Noch findet sich in den Gassen das ein oder andere Kleinod während die ganze Innenstadt abgerissen wird.

Die ganze Innenstadt? Nein, ein kleiner Teil leistet tapfer Widerstand…nicht! Getreu dem Motto China schafft sich mal wieder ab und erfindet sich neu, handelt es sich bei dieser vermeintlich alten Stadtmauer um einen Neubau mit Stahlbetonkern.

Leichter zu erkennen auf der Innenseite dieses bestimmt zehn Kilometerm langen Neubauprojekts. Vor uns der Rohbau eines der ca.50 neuen, riesigen Wachttürme.

Auch vor den alten Tempeln wird nicht haltgemacht und anstatt aufwändig zu restaurieren ist es doch viel einfacher alles wegzuhauen und dann richtig schön zu machen.

So sieht es später aus. Gefällig aber gesichtslos. Für die zahlreichen Tempel fallen übrigens jeweils mal eben zehn Euro Eintritt an um dann durch die ebenso weichgespülte Architektur zu wandern – allein. Wer will schon jedesmal Eintritt bezahlen um Andacht zu halten?

Auch hier ein für China sehr Menschen leeres Bild. Datong auf dem Weg zur Touristenattraktion. Ich lasse mich derweil durch das Getümmel in den letzten Gassen und Märkten treiben.

Am Samstagmorgen sitze ich im Bus zum Xuankong Si, dem hängenden Kloster bei Datong. Nach anderthalb Stunden blicke ich auf die eindrucksvolle Anlage die teils auf dünne Rundhölzer gestützt an der fast senkrechten Wand einer schmalen Schlucht klebt.

…aber richtig beängstigend wird es erst, wenn man sich eingekeilt von lärmenden Chinesenhorden hoch über dem Talboden die schmalen Stege mit den niedrigen Geländern entlang tastet.

Auf die Idee, dass auch mal eines dieser dünnen Holzstützchen abschmieren könnte, kommt außer mir offensichtlich niemand.
Auf dem Rückweg muss ich mit den Taxifahrern erst das alte „50!“-„10!“, „40!“-„10!“, „30!-10!“, „20!-10!“, „na-dann-gehe-ich-eben-zu-Fuss“ Spiel spielen, ehe mir doch einer hinterher fährt und mich für 15 Yuan zur Busstation bringt;-)

Aufgrund von Kälte und Intuition verwerfe ich spontan den Plan Wutai Shan und fahre stattdessen von Hunyuan zurück nach Taiyuan und anschliessend nach Pingyao, zwei Stunden weiter südlich. Eine gute Entscheidung.

Pingyao ist möglicherweise die am besten erhaltene historische Stadt Chinas. Eine zehn Meter hohe und sechs Kilometer lange originale(!) Stadtmauer aus dem vierzehnten Jahrhundert umschliesst 4000 traditionelle Hofhäuser aus der Ming und Qing Dynastie.

Da in diesem riesigen Museum die Menschen weiterhin leben wie eh und je bekommt man tatsächlich spätestens jenseits der Läden auf den Hauptstrassen das Gefühl eine Zeitreise zu unternehmen.

Von außen schon wunderschön, enthüllen die Hofhäuser aber erst im Innern ihre ganze Pracht. Mindstens zwanzig dieser Anlagen können besichtigt werden und viele weitere beherbergen Teehäuser oder Restaurants.

Die Standardausführung eines Innenhofes mit angegliederten Wohnräumen. Von Bauwerk zu Bauwerk werden die Höfe größer und prachtvoller. Die Innenräume bleiben hingegen meist ähnlich klein und untergeordnet.

Meist bestehen die Anlagen aus einer ganzen Reihe von Höfen, die durch Toranlagen miteinander verbunden sind.

Neben den feudalen Wohnhäusern gibt es aber auch eine Vielzahl von Sonderbauten wie Chinas erste Scheckbank, große Geldinstitute, Theater und Verwaltungsbauten zu entdecken.

Alle Gebäude orientieren sich sehr stark auf eine Mittelachse als Verbindung der einzelnen Höfe. Auch Eingangsmotive oder paarweise Anordnung von Treppen oder Durchgängen, verdeckt durch Schreine oder zentrale Raumteiler finden sich als zeitlose Gestaltungselemente immer noch in unserer zeitgenössischen Architektur wieder.

Natürlich darf auch der ein oder andere Tempel nicht fehlen. Sie zeichnen sich vor allem durch weite, meist bepflanzte Plätze zwischen den einzelnen Hallen aus und bieten so Raum zum Durchatmen nach dem Streifen durch die engen Gassen.

Traufdetail eines typisch chinesischen Daches. Der komplizierte hölzerne Dachstuhl ist verantwortlich für die charakteristisch nach oben gebogenen Giebel. Die sehr massive Eindeckung mit Ziegel und Mörtel mutet der Konstruktion dabei ein immenses Gewicht zu.

Der Innenhof meiner liebevoll gepflegten Unterkunft, an dessen Ende ich ein komfortables, beheiztes Zimmer mit Doppelbett und Baldachin bewohne.

Die Stadtmauer von innen. Da beschleicht einen doch der Gedanke, dass Datong die größere und „schönere“ Mauer und somit auch die besser zu vermarktende Attraktion erschaffen will.

Die rote Armee marschiert ein – um neuen Rohre zu verlegen. Nicht nur beim Scherzen mit diesen Jungs, sondern auch an den ungewohnt freundlichen Reaktionen der neugierigen Chinesen um mich herum merke ich, dass ich mittlerweile doch ein bisschen mehr Chinesisch spreche.
da hast du dir aber noch ein schönes Fleckchen China rausgesucht, ich hatte fast vergessen,daß es auch zum Teil romantisch sein kann.
Aber was nützt ein Doppelbett wenn keine Frau dabei ist?
Eure Zukunftspläne was das reisen als backpacker in family betrifft,kann man sich sehr gut vorstellen
Und wieder ein spannender Bericht mit wunderbar ergänzenden Fotos. Die Vielfalt dieses chinesischen Riesenreiches ist enorm – wenn auch alles getan wurde und wird, es in eine Uni-form zu zwängen. – –
Vielleicht gehen wir demnächst mal als Großfamilie auf Reisen! Es muss ja nicht gleich China sein – wenn es durch den „Shanghai-blog“ auch sehr spannend und reizvoll sein könnte, denn immer, wenn ich mich mit diesem blog beschäftige, breitet sich eine „Lust“ auf dieses – für uns- so widersprüchliche Land aus.